Interview: Dr. Georg Schelbert zur Lizenzierung von Digitalisaten – Mediathek Kunst- & Bildgeschichte, HU Berlin
ist Kunsthistoriker und Leiter der Mediathek des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin.
Welche Medien umfassen die Bestände der Mediathek des Kunst- und Bildgeschichte Instituts an der Humboldt-Universität zu Berlin?
Aus der Diathek des Instituts hervorgegangen, kümmert sich die Mediathek heute auch um weitere Medienformate (etwa DVDs) innerhalb der Universitätsbibliothek. Die Bereitstellung von neuem Bildmaterial für Lehre und Forschung ist weiterhin eine Kernaufgabe, die sich in jüngerer Zeit um die digitale Erschließung der historischen Bildbestände erweiterte.
Neben der Digitalisierung und Erschließung von Fotoabzügen des 19. Jahrhunderts konnten seit 2016 insbesondere zwei Projekte mit Unterstützung durch Förderprogramme des Berliner Senats (digiS) durchgeführt werden, das Projekt „Durchblick! – Digitalisierung und Erschließung der historischen Glasdiasammlung des IKB“ und das Projekt „Denkmalbilder – Das Diaarchiv des Kunsthistorikers Peter H. Feist“. Bei ersterem handelt es sich um Großdias auf Glasplatten, bei dem zweiten um die bekannten Kleinbilddias auf 35mm-Film. 2019 setzen wir die Digitalisierung mit weiteren Kleinbilddiabeständen fort.
Welche Erfahrung haben Sie mit der Lizenzierung von Forschungsdaten bzw. Lehrmaterialien?
Bei unseren Projekten handelt es sich um Digitalisierung von mehr oder weniger historischem Bildmaterial (Fotos, Dias), das wiederum (Bau- und Kunst-)Werke verschiedenster Zeiten abbildet und das mit Metadaten für die wissenschaftliche Nutzung versehen wird. Sowohl das Bildmaterial als auch die abgebildeten Werke können urheberrechtlich geschützt sein. Die Metadaten stellen bei uns hingegen keinen urheberrechtlich relevanten Gegenstand dar.
Die Lizenzierung von Digitalisaten mittels Creative Commons-Lizenzen ist an sich unproblematisch, sofern der Rechtsstatus geklärt und die Rechte in eigenem Besitz sind. Eine gewisse Unsicherheit liegt in der Frage, in welcher Form die Kennzeichnung erfolgen muss/soll, da bspw. Bilddaten auch unabhängig von den Metadaten auftreten können und die entsprechende Kennzeichnung dann fehlt.
Von welchem Ihrer Projekte stellen Sie digitale Daten zur Verfügung?
Bei der Digitalisierung unserer historischen Fotos und beim Projekt „Durchblick!“ sind wir zunächst davon ausgegangen, dass sich die Urheberrechtsfragen aufgrund des Alters in der überwiegenden Zahl der Fälle erübrigen. Bei den Fotos des 19. Jahrhunderts ist das gegeben, bei den ab ca. von 1890 – 1960 entstandenen Glasdias kann das tatsächlich aber nur für einen eher kleinen Teil (bei denen bspw. der Fotograf und dessen Todesdatum bekannt sind) positiv festgestellt werden. Daher werden wir nicht alles frei zugänglich machen und als gemeinfrei kennzeichnen können. Wir bewegen uns bei diesem Bestand vielfach in einer Grauzone, die noch genauer ausgelotet werden muss.
Anders ist es bei dem Projekt „Denkmalbilder“. Hier haben wir uns die Nutzungsrechte von den Nachkommen des Fotografen voll übertragen lassen und können die Bilddaten unter eine CC BY SA-Lizenz stellen. Aber darüber hinaus ergeben sich häufig Beschränkungen hinsichtlich des Bildgegenstands (moderne Kunst, Personen).
Warum haben Sie sich für die online Veröffentlichung der Daten entschieden?
Unsere Aufgabe ist grundsätzlich die Bereitstellung und Erschließung von einschlägigem Bildmaterial für die kunst- und bildwissenschaftliche Forschung und Lehre. Zwar gibt es hierfür auch begrenzte und geschützte Räume (bspw. das verteilte Bildarchiv Prometheus), die wir bei fehlenden Nutzungsrechten auch wahrnehmen, aber im heutigen Wissenschafts- und Lehrbetrieb stellt eine online-Verfügbarkeit – selbst innerhalb der eigenen Institution – den Standard dar.
Für welche Lizenzierung bzw. Lizenzierungsmodelle haben Sie sich in Ihren Projekten entschieden und warum?
Im Fall der historischen Fotografien und Glasdias kennzeichnen wir die Digitalisate gegebenenfalls als gemeinfrei. Das ist aber keine Lizenzierung, sondern nur eine Information nach Kenntnisstand.
Dort wo wir exklusive Nutzungsrechte erworben haben, vergeben wir eine CC-Lizenz (CC BY-SA). Metadaten werden in der Regel als CC0 deklariert.
Nach welchen Kriterien haben Sie sich bei Ihren Projekten für das jeweilige Modell/die gewählten Lizenzen entschieden?
Nach dem Prinzip „so offen als möglich, so beschränkt als nötig“.
Welche Unterstützung hatten Sie bei der Lizenz-Auswahl/ oder hätten sich gewünscht bzw. wo haben Sie sich über die Lizenzierungsmöglichkeiten informiert?
Wir haben uns an verschiedenen Stellen informiert. Das Forschungs- und Kompetenzzentrum Digitalisierung Berlin (digiS) hat Workshops zum Thema angeboten. Diese wurden in Zusammenarbeit mit der Informationsplattform iRIGHTS durchgeführt, die, ebenso wie die Wikimedia Foundation, verschiedene Informationsbroschüren herausgegeben hat. Selbstverständlich spielen auch Gespräche mit Fachleuten und KollegInnen, die ähnliche Projekte machen, eine Rolle.
Gab es Probleme oder Fragen zu den Forschungslizenzen und wie wurden diese geklärt?
Das zu lizenzierende Material besteht aus Fotografien von Kunstwerken. Wie bereits gesagt, ergeben sich daraus potentiell Probleme mit den Rechten an den abgebildeten Werken ebenso wie mit den Rechten an den Fotografien selbst. In vielen Fällen kann nicht ermittelt werden, wer der Urheber ist und ob die Rechte noch in Kraft sind. Dann kann man das Material auch nicht lizenzieren oder als gemeinfrei deklarieren und eigentlich nicht einmal öffentlich zugänglich machen. Das abgebildete Dia ist ein eher seltener Fall, wo wir genau Bescheid wissen und von Gemeinfreiheit ausgehen können. Die für Zwecke der Erforschung der künstlerischen Entwicklung von
Kindern abgebildeten Knetfiguren stammen vom tragischerweise bereits im Jugendalter verstorbenen Sohn des Forschers und Fotografen, Prof. Dr. Oskar Wulff, der bis 1944 lebte.
Die Metadaten zu den Fotografien bestehen aus an sich nicht schutzfähigen Daten zu allgemeinen Sachverhalten, die wir mit einer sog. CC0-Lizenz deklarieren. Weitergehende Forschungsdaten sind bei diesen Projekten (noch) nicht vorhanden. Daher gibt es in diesem Bereich keine Probleme.
Gibt es Überlegungen, die gewählte Lizenz später noch zu erweitern?
Wie gesagt arbeiten wir dort, wo wir aufgrund der Rechtesituation lizenzieren können, mit einer CC BY-SA-Lizenz. Es gibt keine Überlegungen, diese Lizenz grundsätzlich zu erweitern. Eine Erweiterung findet insofern statt, als durch das Ende der Schutzfristen laufend Werke in die Gemeinfreiheit übergehen.
Wie zufrieden sind Sie mit der Nachnutzung Ihrer Daten?
Wir haben hierzu bislang keine Erhebungen gemacht. Eine umfangreichere (Nach)Nutzung wird voraussichtlich erst dann einsetzen, wenn die Metadaten einen gewissen Umfang erreicht haben und die Daten auch über die DDB (Deutsche Digitale Bibliothek) oder Europeana erreichbar sind. Wikidata wird in Zukunft als Normdatenreferenz sicherlich auch eine große Rolle spielen.
Welche Nutzungsszenarien würden Sie begrüßen?
Dass unsere Bilddaten in vielen Zusammenhängen nachgenutzt werden (versehen mit einem Nachweis und einem Backlink zu uns). Begrüßenswert wäre für uns auch, dass andernorts für die gleichen Fotografien oder die gleichen Bildbestände entsprechende Normdaten (wir setzen hier v.a. auf Wikidata) verwendet werden, so dass sich unsere Daten und Bilddaten in ein immer umfangreicheres Wissensnetz einschreiben, das wiederum für weitere Auswertungen verwendet werden kann. Hierzu bieten wir die Metadaten zu unseren Bildern über APIs an.
Interessant wäre auch die direkte Bearbeitung unserer Bilder mit innovativen Analysetools, z.B. Computervision, die wiederum von uns nachnutzbare offene Forschungsdaten erzeugen. Ebenso sind wir natürlich auch daran interessiert, Forschungswerkzeuge, die anderswo entstehen, selbst nachnutzen zu können.
Welche Chancen oder eventuelle Einschränkungen sehen Sie in Open Science und in der Open-Access-Stellung von Forschungsdaten/Lehrmaterialien?
Wir sehen zunächst einmal eine Chance darin. Auch im Bereich der bild- und objektbezogenen historischen Kulturwissenschaften wird eine datengetriebene Forschung erst dann möglich werden, wenn es entsprechend umfangreiche Datenbestände gibt – in diesem Fall eben auch Digitalisate von Bildern und Objekten. Allerdings fallen Daten von (Kunst-)Werken (egal ob als Digitalfoto oder abgebildetes Werk) in einen Bereich, in dem noch einmal etwas schärfer über Urheberrechte diskutiert wird als beispielsweise bei Messreihen in der Meteorologie. Das ist ein altes Problem, das schon mit der Berliner Erklärung von 2003 angegangen wurde. Die Forderung nach Open Access war damals nicht mehr neu, aber die Forderung, dass auch Kulturgutdigitalisierung frei sein soll. Das ist ein Thema, das auch im Kontext von Forschungsdaten immer noch kontrovers diskutiert wird.
Link zur Homepage:
Webseite der Mediathek des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte
Kontaktdaten für Fragen zum Projekt:
Dr. Georg Schelbert
Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Kunst- und Bildgeschichte (IKB)
Unter den Linden 6, D-10099 Berlin
Tel: 030.2093-99256
georg.schelbert@hu-berlin.de
Titelbild: Von Georg Schelbert unter CC BY-SA 4.0
(Interview, Redaktion und Publikation: Esther Schneidenbach)
Lizenzen
- CC-BY-SA: Digitalisate mit übertragenen Nutzungsrechten
- CC0: Metadaten
- Gemeinfreie Kennzeichnung (keine Lizenz): Digitalisate gemeinfreier Bestände
Einschränkungen der Lizenzierung
- Persönlichkeitsrechte
- Darstellung moderner Kunst
Daten
- (historisches) Bildmaterial
- Metadaten
- Digitalisate
Projekt-Highlights
Weitere Informationen zu Forschungslizenzen
Bevor Texte, Geodaten, Bilder oder andere Forschungsdaten geteilt werden können, gilt es die Rechte zu klären: Wer sind die Urheber und wer verfügt über die Nutzungsrechte?
Sind die Rechte geklärt, können die Daten zur Kollaboration und Nachnutzung freigegeben werden. Dazu stehen verschiedene Lizenzmodelle zur Verfügung.
Für eine dauerhafte Bereitstellung zur Nachnutzung werden Forschungsdaten mit den gewählten Lizenzen verknüpft und in eine Forschungsdateninfrastruktur eingebettet.