Open-Source-Lizenzierung bei archäologischer Softwareentwicklung (F/OSS) – Ein Interview mit Dr. Benjamin Ducke

von Feb 20, 2019GNU Public License

Foto_Benjamin_Ducke

(c) Paulina Suchowska 2012

Dr. Benjamin Ducke
Promovierte zum Dr. rer. nat. nach dem Studium der Ur- und Frühgeschichte, Klassischen Archäologie und Informatik an der Freien Universität Berlinder zum Thema „archäologische 4D-Datenanalyse“ an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Er arbeitet an Open-Source-GIS-Projekten und Entwicklung von fachspezifischer Open-Source-Software für Forschung und Anwendung und ist seit mehreren Jahren als Mitarbeiter des IT-Referats des Deutschen Archäologischen Instituts schwerpunktmäßig mit dem Bereich Geodaten/Geoinformatik im Rahmen der iDAI.world beschäftigt.
Siehe auch das Interview mit Benjamin Ducke: Open Science bei der iDAI.world

Welche Softwareentwicklungsprojekte für archäologische Zwecke haben Sie durchgeführt?

Meine erste ernsthaft nützliche Archäologie-Software habe ich vor bald zwei Jahrzehnten für die Berechnung von archäologischen Potenzialkartierungen (sog. „Prädiktionsmodelle“) in der brandenburgischen Bodendenkmalpflege geschrieben. Selbstverständlich schon damals für ein Open-Source-GIS (GRASS GIS). Denn die Tatsache, dass meine Alma Mater nur proprietäre GIS-Lizenzen in einem eingeschränkt nutzbaren „PC-Pool“ besaß, nervte mich schon als Student über alle Maßen. Da mir damals ein Mathematiker der Cardiff University (Gavin Powell) die Erlaubnis gab, seine Routinen zu verwenden, war für mich auch gleich die Pforte in die angewandte Mathematik des Fachs aufgestoßen. Anschließend habe ich, als ein Entwickler unter vielen, längere Zeit an GRASS GIS und gvSIG CE mit entwickelt. Für GRASS GIS habe ich im Laufe der Jahre einige Module mit Funktionen für typische archäologische Analysen (Viewsheds, Prädiktionsmodelle, Territorialmodelle) veröffentlicht. In letzter Zeit habe ich mich aber hauptsächlich auf die Entwicklung von GIS-basierter Software für die archäologische Feldarbeit und Dokumentation konzentriert. Dazu gehören z.B. die Vermessungssoftware Survey2GIS (survey-tools.org) und eine Software zur effizienten Aufbereitung von hochauflösenden Gradiometerdaten aus archäologischen Prospektionen, die DAI-intern mit sehr spezieller Hardware verwendet wird.

Zu F/OSS

Als Archäologe und Softwareentwickler haben Sie Erfahrung mit der Entwicklung von Software und Applikationen für die archäologische Forschung. Free and Open Source Software (F/OSS) ist hierfür im Sinne von Open Science besonders attraktiv. Was bedeutet F/OSS wirklich und welche Einschränkungen gibt es nach Ihrer Erfahrung?

Für die Forschung wird F/OSS natürlich umso bedeutender, je mehr Wissen die Menscheit in Software, Datenstrukturen und Algorithmen steckt. Für mich persönlich handelt es sich bei F/OSS daher um die konsequente Anerkennung der Natur von Software, die ich eher als kollaborative, stetig wachsende Kulturleistung, denn als individuellen Akt von „Genialität“ oder gar als „Industrieprodukt“ begreife. Ich finde, dass die schier unglaubliche Zahl von Open-Source-Projekten klar belegt, dass es sich um das für das Internetzeitalter passende Paradigma handelt. Diese Anerkennung der Rolle freier Kollaboration als eigentlicher Trägerin des Fortschritts ist in der Wissenschaft fundamental (http://www.forschungsdaten.org/index.php/Data_Policies). Wenn wir heute Berühmtheiten wie Darwin oder Einstein als einsam grübelnde Genies wahrnehmen, dann nur deshalb, weil uns das Wissen darüber abhandengekommen ist, wie stark deren Zeitgenossen in Wirklichkeit ihre Ideen beeinflusst und ihre Forschungsleistungen überhaupt erst ermöglicht haben. Bei F/OSS ist es im technischen Bereich gelungen, diese Tatsache vollkommen transparent und zum Teil der Alltagskultur zu machen. Die Grenzen dieser Entwicklung liegen aber keineswegs im technischen oder gar ökonomischen Bereich (meine Einschätzung ist, dass das Einkommen aus Auftragsarbeiten für F/OSS mittlerweile global bedeutender ist, als Umsätze mit Softwarelizenzen), sondern in den sozialen Strukturen, in welche Software eingebettet ist. Es gibt keine technologischen „Lösungen“ für Probleme die ihre Ursachen in ökonomischen, politischen oder sonstigen Strukturen haben. So kann z.B. Open Access nicht in einem akademischen Umfeld funktionieren, welches eine möglichst eigennützige Ideen- und Datenverwertung stärker honoriert als kollaboratives Engagement. Das hat uns in die absurde Situation gebracht, dass wir zwar exzellente, freie Softwarelösungen für jedweden Zweck besitzen, es aber immer noch schwierig ist, ein paar gute, frei verfügbare Daten, etwa für eine Schulung oder ein kleines Forschungsprojekt, zu bekommen; von Daten, welche das Potenzial hätten, die Entwicklung fachspezifischer F/OSS-Anwendungen ernsthaft voranzubringen, ganz zu schweigen.

Welche Erfahrung haben Sie mit der Lizenzierung für F/OSS? Welche Lizenzen werden genutzt/ haben Sie genutzt und warum? Welche Erfahrungen haben Sie speziell mit der GNU General Public License (GNU GPL)?

Wenn es um die Lizenzfindung für meine eigene Software geht, mache ich mir die Sache einfach. Ich nutze die GNU GPL, weil sie sich mittlerweile in juristischen Verfahren weltweit bewährt hat. Außerdem halte ich sie für übersichtlich und allgemein verständlich formuliert (mit offiziellen Übersetzungen in etliche Sprachen). In der Praxis stellt sich die Frage nach der „richtigen“ Lizenz aber ohnehin sehr selten. Denn eine der Grundeigenschaften der Entwicklung mit F/OSS ist ja gerade, dass man auf der Arbeit Anderer aufbaut. Und dann hat man kaum eine andere Wahl, als mit der vorhandenen Lizenz weiter zu arbeiten bzw. zumindest mit ihr kompatibel zu bleiben. Eine ernsthafte Einschränkung meiner Arbeit habe ich mit der GNU GPL jedenfalls nie verspürt. Wenn es in einem Projekt, an dem ich mitgewirkt habe, Probleme wegen des häufig zitierten „viralen“ Charakters dieser Lizenz gab, dann deshalb, weil es „strategische“ Erwägungen gab, die sich nicht mit der GNU GPL vertrugen, nicht aus relevanten technischen Gründen. Sehr schlechte Erfahrungen habe ich mit sogenannten Contributors License Agreements (CLA) gemacht, welche mittlerweile von einigen Open-Source-Projekten von den Mitwirkenden verlangt werden; vorgeblich um es der „Projektleitung“ zu ermöglichen, Rechtsansprüche gebündelt und per rechtsfestem Mandat durchzusetzen. Ich würde mal sagen: Wenn es soweit kommt, dass derartige juristische Klimmzüge erforderlich werden, dann liegen die Probleme grundsätzlich anderswo in der Architektur bzw. Hierarchie des Projekts.

Link zur Projektseite und Repositorien sowie wichtigen Informationsseiten, Broschüren

Publikationen

  • Ducke, B., Free and Open Source Software in Commercial and Academic Archaeology, in: Wilson, A. T. – Edwards, B. (Hgg.), Open Source Archaeology: Ethics and Practice, Warschau/ Berlin 2015, 92–110.
  • Bibby, D. – Ducke, B. 2017: Free and Open Source Software Development in Archaeology. Two interrelated case studies: gvSIG CE and Survey2GIS, http://www.intarch.ac.uk/journal/issue43/3/index.html
  • Ducke, B. 2013: Reproducible Data Analysis and the Open Source Paradigm in Archaeology. In: Bevan, A. – Lake, M. (Hgg.), Computational Approaches to Archaeological Apaces (Left Coast Press: Walnut Creek, CA), 307–318.
  • Ducke, B. 2012: Natives of a connected world: free and open source software in archaeology. World Archaeology, Vol. 44(4) 2012, 571–579 (special issue „Open Archaeology“).

Kontaktdaten für Fragen:

Benjamin Ducke
Deutsches Archäologisches Institut
Zentrale Berlin, IT-Referat
benjamin.ducke@dainst.de

Titelbild: Word Cloud erstellt von Esther Schneidenbach

(Interview, Redaktion und Publikation: Esther Schneidenbach)

Lizenzen

  • GNU GPL

Daten

  • Software

Video

Vortrag v. Benjamin Ducke zu F/OSS: Quo vadis Open Source?

Weitere Informationen zu Forschungslizenzen

Bevor Texte, Geodaten, Bilder oder andere Forschungsdaten geteilt werden können, gilt es die Rechte zu klären: Wer sind die Urheber und wer verfügt über die Nutzungsrechte?

Sind die Rechte geklärt, können die Daten zur Kollaboration und Nachnutzung freigegeben werden. Dazu stehen verschiedene Lizenzmodelle zur Verfügung.

Für eine dauerhafte Bereitstellung zur Nachnutzung werden For­schungsdaten mit den gewählten Lizenzen verknüpft und in eine Forschungs­dateninfrastruktur eingebettet.